Von 2007 bis 2011 widmete sich ein musikwissenschaftliches Forschungsprojekt der Sängerin und Komponistin Pauline Viardot (1821–1910) unter dem besonderen Aspekt des Kulturaustausches. Pauline Viardot hat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Musikleben ihrer Zeit in verschiedenen Ländern, vor allem in Frankreich, Deutschland, England und Russland, wesentlich mitgeprägt. Sie sang, komponierte und unterrichtete, sie bearbeitete und edierte Werke anderer Komponisten, sammelte Volksliedtexte und -melodien, veranstaltete musikalische Salons und führte zudem eine umfangreiche Korrespondenz.

Diese vielfältigen und weitgehend miteinander vernetzten Felder künstlerischer Tätigkeiten sollen in dem Forschungsvorhaben im Hinblick auf die Bedeutung von Musik als Medium kultureller Vermittlung analysiert werden. Der Begriff der kulturellen Vermittlung bezieht sich nicht nur auf den Austausch zwischen verschiedenen europäischen Musikkulturen. Pauline Viardot vermittelte zwischen den verschiedenen ästhetischen Positionen ihrer Zeit und zwischen unterschiedlichen sozialen Räumen. Die Wege ihrer Vermittlung waren u. a. ihre Konzertprogramme, Kompositionen und Bearbeitungen, als Orte dienten die Bühne, der Konzertsaal, der Salon sowie im übertragenen Sinne auch ihre Korrespondenz. Besonders ihre Vokalkompositionen, darunter einige Bühnenwerke, sollen im Hinblick auf die ihnen eingeschriebenen Strategien kultureller Vermittlung analysiert werden.

Die Forschungsergebnisse sollen in drei Studien zu Aspekten kultureller Transfers, in einem Werkverzeichnis sowie einem Dokumentenband, der auch Kompositionen enthalten wird, sowohl einem Fachpublikum als auch einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.


Projektlaufzeit und Finanzierung

Das Forschungsprojekt wurde 2007 bis 2011 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert, weitere Fördergelder haben wir von der Mariann Steegmann Foundation, von der Konferenz der Gleichstellungsbeauftragten der Hochschule für Musik und Theater Hamburg (2012) und vom Kulturfonds der VG-Musikedition (2013) erhalten. Forschungsstelle und Quellensammlung bestehen weiterhin an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. Die Projektleitung hat Prof. Dr. Beatrix Borchard. Sie ist Autorin der Biographie Pauline Viardot-Garcia. Fülle des Lebens, die 2016 im Böhlau-Verlag Köln in der Reihe "Europäische Komponistinnen" erschienen ist (siehe Publikationen).

 

Die wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und ihre Forschungsbereiche:

Kulturelle Transfers in Musik und Musikleben des 19. Jahrhunderts
Silke Wenzel untersucht die Bedeutung der oben genannten Tätigkeiten Pauline Viardots im Hinblick auf 1. Kosmopolitismus, Transnationalität und Nationalismus, 2. Soziale Schichtungen, 3. Historische Übernahmen und 4. Lebensalter und Geschlecht. Sie stellt außerdem einen Dokumentenband zusammen, der die verschiedenen künstlerischen Tätigkeiten Pauline Viardots anhand zeitgenössischer Quellen anschaulich machen wird.

Komponieren als Form kultureller Transfers
Dr. Christin Heitmann analysiert am Beispiel der Operétte de salon Le dernier sorcier den Zusammenhang zwischen unterschiedlichen Aufführungssituationen und verschiedenen Werkfassungen. Sie ist außerdem Autorin des wissenschaftlichen Werkverzeichnisses, das sämtliche Kompositionen, Bearbeitungen und Editionen Pauline Viardots sowie alle bekannten Werk-Quellen und deren Fundorte in einer Online-Datenbank erschließt:
Christin Heitmann: Pauline Viardot. Systematisch-bibliographisches Werkverzeichnis (VWV), Hochschule für Musik und Theater Hamburg, seit 2012, Online-Datenbank https://www.pauline-viardot.de/Werkverzeichnis.htm.

Pauline Viardot in Russland
Verena Mogl und Anastasia Mattern widmen sich der Rezeption Pauline Viardots im zeitgenössischen Russland im Konnex mit dem dort sich entwickelnden Diskurs um kulturelle Identität und vor dem Hintergrund der tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen im Russland des 19. Jahrhunderts.

Wissenschaftliche Hilfskräfte:
Lucie Faggiani, Johann Layer, Maj-Britt Peters.

Weitere Informationen zu Pauline Viardot im Internet
auf den Seiten "Musik und Gender im Internet":

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